Was Eltern über Leseflüssigkeit wissen sollten
Für Eltern sind zwei Fragen zentral:
Kann mein Kind ausreichend flüssig lesen?
Wie übe ich flüssiges Lesen mit meinem Kind?
Artikel aktualisiert:
26.10.2024
Für Eltern sind logischerweise zwei Fragen von besonderer Wichtigkeit.
Die erste zentrale Frage für Eltern ist:
Kann mein Kind ausreichend flüssig lesen?
Der erste Schritt ist es, herauszufinden, wie gut dein Kind flüssig lesen kann. Das kannst du zu Hause gut und ohne viel Aufwand machen.
Dazu kommen wir gleich. Zuerst findest du hier noch drei Punkte, die für das Üben von flüssigem Lesen zentral sind.
Punkt 1
Leseflüssigkeit ist eine Voraussetzung für viele weitere Lesefertigkeiten, wie beispielsweise das Textverstehen. Lange hielt sich die Ansicht, dass Kinder nach dem anfänglichen Leselernunterricht der Grundschule nur zum Lesen motiviert werden müssten.
Buchvorstellungen, Lesekisten, Buchpräsentationen, Ausflüge in eine Buchhandlung, usw. waren zentraler Bereich der Leseförderung.
Heute weiß man, dass Lesemotivation sinnlos ist, wenn ein Mensch nicht flüssig lesen kann. Das hat den einfachen Grund, dass das Lesen zu anstrengend ist.
Das Lesen alter Handschriften führt vor Augen, wie anstrengend das Lesen ist, wenn einzelne Buchstaben entschlüsselt und Wörter nicht sofort erkannt werden.
Das Erlesen der einzelnen Wörter benötigt die gesamte Konzentration; das beansprucht so viel Gehirnkapazität, dass der Inhalt nicht erfasst werden kann.
Punkt 2
Leseflüssigkeit wird, trotz seiner Wichtigkeit, relativ wenig beachtet – auch im Unterricht. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben, muss aber nicht unbedingt an einem schlechten Unterricht liegen.
Gerade beim Lesen zeigt sich, dass die Schule ein Lesen und Üben zu Hause nicht ersetzen kann. Darauf sind die Schule und der Unterricht, gerade in höheren Schulstufen, nicht ausgelegt.
Punkt 3
Man findet unzählige Wörter-pro-Minute-Angaben, wie schnell ein Kind in einem gewissen Alter lesen sollte. Das Problem ist, dass diese Angaben stark voneinander abweichen. Das ist auch kein Wunder, denn die Lesegeschwindigkeit hängt von vielen Faktoren ab. Die Schwierigkeit des Textes ist einer davon. Leichte Texte können logischerweise schneller gelesen werden.
Wichtig ist es, dass Kinder eine Geschwindigkeit von 100 Wörtern pro Minute spätestens am Ende der 4. Klasse Grundschule erreichen. Davor sollte man sich von der Lesegeschwindigkeit nicht verrückt machen lassen. Wichtiger ist es, regelmäßig zu lesen und zu üben und Freude am Lesen zu haben.
Achte nicht nur auf die Lesegeschwindigkeit, sondern auch darauf, dass dein Kind fehlerfrei liest und dass es Wörter nicht Buchstabe für Buchstabe erliest. Das ist ebenso wichtig.
Wenn du dazu mehr erfahren willst, findest du hier weitere Informationen.
So findest du heraus, ob dein Kind flüssig lesen kann
Zurück zu der ersten wichtigen Frage.
Kann mein Kind ausreichend flüssig lesen?
Ich zeige dir zwei Möglichkeiten, wie du die Leseflüssigkeit deines Kindes einfach einschätzen kannst.
Wichtig dabei ist: Die Leseflüssigkeit zu testen, macht erst Sinn, wenn Texte gelesen werden können – also frühestens mit der 2. Klasse, eher später. Am besten orientierst du dich dabei am Unterricht deines Kindes. Der Wert von 100 Wörtern pro Minute sollte spätestens am Ende der 4. Klasse der Grundschule erreicht werden.
Die Texte müssen natürlich auch altersgerecht sein – auch hier verlässt du dich am besten auf Texte aus der Schule oder dem Deutsch-Schulbuch.
Textverstehen prüfen
Eine einfache und schnelle Möglichkeit um die Leseflüssigkeit zu prüfen, ist das Fragen von inhaltlichen Fragen.
Flüssiges lesen ist Voraussetzung für inhaltliches Verstehen. Wenn ein Kind inhaltliche Fragen zu einem Text beantworten kann, dann kann es höchstwahrscheinlich auch ausreichend flüssig lesen.
Es genügt dabei, wenn ein Kind einige wichtige zentrale Punkte des Inhalts nennen kann – also welche Figuren vorkommen, wo die Geschichte spielt, was die Figuren machen (also W-Fragen klären).
Das Vorlesen beobachten
Das Beobachten des lauten Vorlesens gibt Rückschlüsse auf die Leseflüssigkeit eines Kindes.
Das braucht einiges an Erfahrung, doch mit etwas Übung geht es bald nebenbei.
Grundsätzlich solltest du auf folgende Dinge achten, wenn dein Kind einen Text laut vorliest.
- Liest das Kind viele Wörter Buchstabe für Buchstabe?
- Versteht das Kind die Bedeutung vieler Wörter nicht?
- Betont das Kind Wörter, Wortgruppen oder Interpunktion nicht richtig?
- Bessert das Kind Lesefehler nicht eigenständig aus?
- Liest das Kind nicht gerne laut vor?
- Liest das Kind den Text besser, wenn es ihn zuvor leise gelesen hat?
Quelle: Vgl. Rosebrock, Nix, Rieckmann, Gold: Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe, S. 83.
Ein Kind sollte bei einem Text rund 95% der Wörter fehlerfrei lesen können. Verliest sich ein Kind öfters, kann es den Text nicht flüssig lesen und ihn folglich auch nicht verstehen.
Gleich verhält es sich mit der Automatisierung beim Erkennen der Wörter. Automatisiert erkannte Wörter müssen nicht Buchstabe für Buchstabe erlesen werden. Beim Lesen eines Textes sollte das Buchstabe-für-Buchstabe-Lesen die Ausnahme sein: etwa bei Eigennamen oder langen, unbekannten Wörtern.
Wenn du auf diese zwei Dinge achtest, kannst du schon sehr gut einschätzen, ob dein Kind einen altersgerechten Text selbstständig lesen kann.
Die Lesegeschwindigkeit findest du heraus, wenn du eine Minute stoppst und dann die Anzahl der gelesenen Wörter zählst. Wörter bei denen sich dein Kind verlesen hat, zählen nicht dazu, außer es bessert den Fehler selbstständig aus.
Eine gute Hilfe für das Beobachten sind sogenannte Lautleseprotokolle.
Lautleseprotokoll
Ein Lautleseprotokoll klingt erstmals nach sehr viel Aufwand. Ist es aber nicht. Im Grunde machst du für eine Minute auf einem leeren Blatt Papier einige Zeichen während dein Kind vorliest.
Der Vorteil ist, dass du so die Lesegeschwindigkeit und Lesefehler leicht ablesen kannst. Du machst einen Haken für jedes richtig gelesene Wort deines Kindes und kannst diese nach einer Minute einfach zusammenzählen. Das ist einfacher als in Gedanken die Wörter mitzuzählen.
Lautleseprotokolle sind optional, sie erleichtern dir das Beobachten. Hier findest du weitere Infos:
Flüssiges lesen üben
Kommen wir zur zweiten wichtigen Frage:
Wie übe ich flüssiges lesen mit meinem Kind?
Der Vorteil beim flüssigen Lesen ist, dass es einfach und gut gefördert werden kann.
Das laute Vorlesen von Texten ist eine gute Übung für Leseflüssigkeit. Wenn dein Kind Texte für die Schule laut vorliest fallen deine Beobachtung und die Förderung zusammen.
Wenn dein Kind die Texte und Aufgaben der Schule gut und flüssig lesen kann, ist alles im Lot.
Solltest du merken, dass dein Kind Schwierigkeiten bei mehreren Texten des Unterrichts oder altersgerechten Texten hat, dann ist ein gezieltes Üben sinnvoll.
Dieses Üben ist ganz einfach. Du liest den Text, mit dem dein Kind Schwierigkeiten hat, zusammen mit ihm mehrmals halblaut vor. So kann sich dein Kind an dir orientieren, du kannst unbekannte Wörter erklären und Fehler ausbessern.
Diese Vorgehen nennt sich Lautlesemethode, ein konkrete Art davon wird im deutschsprachigen Raum gerne Tandemlesen genannt.
Studien weisen die Wirksamkeit dieser Methode immer wieder nach, zudem ist es leicht umsetzbar und hat für Kinder nicht den Beigeschmack einer „speziellen Förderung“.
Wie genau Lesetandems funktionieren, kannst du hier nachlesen: